Dominoeffekt: Altkleidermarkt steht vor einer Kaskade von Problemen
DRK-Kreisverband hofft, dass eine wichtige Einnahmequelle nicht versiegt.
Für ehrenamtliche Tätigkeit im Deutschen Roten Kreuz gibt es zwar kein Geld, dennoch kostet es den Träger sehr viel Geld, denn Ausbildung und Ausrüstung der Helfer gibt es nun mal nicht umsonst. Einen erheblichen Teil dieser Kosten fangen die DRK-Ortsvereine durch die Erlöse aus der Vermarktung von Alttextilien auf. Bislang war das für sie immer eine relativ sichere Einnahmequelle, die nun zwar nicht zu versiegen droht, sie sprudelt aber nicht mehr im gewohnten Maße. Das hat Gründe, gleich mehrere.
Der globale Alttextilmarkt steckt in der Krise. „Wir stehen dadurch vor sehr großen Herausforderungen“, sagt Max de Witte, Geschäftsführer des im nordrheinwestfälischen Attendorn ansässigen Textilrecyclers Knebel, mit dem der DRK-Kreisverband Hochtaunus seit vielen Jahren zusammenarbeitet. De Witte adressiert damit eine ganze Kette von Problemen nach dem Prinzip des Dominoeffekts. Entscheidenden Anteil an der fatalen Entwicklung hat der Umstand, dass in einer kriegsvolatilen Welt der Absatz von Altkleidern in Dritte-Weltländern wegen der immer unsicherer werdenden Transportwege ins Stocken gerät. Seecontainer mit Altkleidern, beispielsweise auf ihrer Route durchs Rote Meer, müssen wegen drohender Angriffe durch Huthi-Rebellen für horrende Summen versichert werden, die den Wert der Ware oftmals überschreiten. Diese Entwicklung führt dazu, dass einige Mitbewerber von Knebel bereits Insolvenz angemeldet haben, zahlreiche Altkleidercontainer privater Sammelunternehmen sind auch bereits aufgrund der schwierigen Lage aus dem Straßenbild verschwunden, auch im Hochtaunuskreis.
„Wir bleiben jedoch aktiv und engagiert, unsere Sammlung für unseren Partner DRK wird weitergeführt und wir arbeiten kontinuierlich daran, unsere Kapazitäten Woche für Woche zu steigern“, sagt Max de Witte im Gespräch mit Matthias Stange, Abteilungsleiter Zentrale Dienste beim DRK-Kreisverband. Mehr Kapazität, das ist auch nötig, denn durch den Wegfall zahlreicher, nicht vom DRK betriebener Altkleidercontainer werden dessen Standorte – im Gebiet des Kreisverbandes gibt es 120 Sammelpunkte - deutlich stärker frequentiert, de Witte spricht von einem Mehraufkommen von gut 20 Prozent. Eine Container-Batterie in Usingen sei beispielsweise montags geleert worden, „mittwochs waren die Kisten schon wieder voll“, sagt de Witte. Dadurch, dass die DRK-Container schneller voll sind, müssten sie häufiger angefahren werden, wobei de Witte hier schon vor der nächsten Problemstellung steht: „Schwierigere Vermarktung versus Personalmangel – es ist schwierig geeignete Fahrer zu finden, wir suchen täglich, fieberhaft, aber der Arbeitsmarkt ist so gut wie leergefegt.“
Damit ist die Lage jedoch immer noch nicht ausreichend beschrieben: Schnellere Füllung der Container führt leider zwangsläufig zum „Überlaufen“. Es ist ein ständiges Ärgernis für das DRK selbst, aber auch für die Städte und Gemeinden, die zwar sehr an einer seriösen Verwertung von Alttextilien in ihren kommunalen Bereichen durch das DRK interessiert sind und dies auch unterstützen, die aber auch Klage führen, wenn immer wieder, teilweise aufgerissen, Altkleidersäcke neben den Containern stehen, weil in den Behältern kein Platz mehr ist. Auch Bequemlichkeit könnte daran ihren Anteil haben, denn häufig werden die Säcke neben den Container gestellt, weil man sie vielleicht nicht hochheben mag oder auch kann. Der nächste Kleiderspender denkt dann, dass der Container voll ist, und stellt seinen Beutel dazu.
Es gibt aber noch einen weiteren Grund, der die Verwertung von Altkleidern immer problematischer werden lässt: „Die Qualität der Kleiderspenden lässt nach. Zum großen Teil aus Kunststoff bestehende Billigware lässt sich sehr schlecht einer Wiederverwertung zuführen, und wenn dann auch noch Hausmüll in den Containern versteckt wird, wird es noch schwieriger, die Ware wirtschaftlich zu recyceln, noch dazu mit der notwendigen Leerungsfrequenz“, sagt Max de Witte, und weiter: „Unser Ziel ist es, den offensichtlich stark wachsenden Bedarf an Altkleidersammelstellen im Hochtaunus einerseits durch zusätzliche Container zu decken und aufzustocken, gleichzeitig aber auch überfüllte Container schnell zu leeren.“
Matthias Stange geht davon aus, dass der Wiederverwerter dieses Problem bald in den Griff bekommt, erste Neueinstellungen habe es bereits gegeben, die Leerungsintervalle dürften sich dadurch in absehbarer Zeit verkürzen, hofft Stange. „Dennoch bitten wir alle Bürgerinnen und Bürger, die uns ihre Alttextilien zur Weitergabe an unseren Partner anbieten und damit unsere Arbeit im Ehrenamt dankenswerterweise mitfinanzieren, bei überfüllten Containern nicht noch mehr dazuzustellen, sondern ein paar Tage abzuwarten und es dann noch einmal zu versuchen“, sagt Stange. Wenn es auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen liege, könnten Altkleidersäcke für die Übergangszeit aber auch an der Altkleiderkammer des DRK in der Kaiser-Friedrich-Promenade 5 abgestellt werden. Das könnte über Weihnachten und den Jahreswechsel ratsam sein, denn zwischen der 51. Kalenderwoche 2024 und der 2. Kalenderwoche 2025 ruht der Abfuhrbetrieb. Textile Geschenke könnten zu einem verstärkten Aufkommen von Altkleidern führen.