Vorzeigeprojekt dank friedlicher Koexistenz - SPD-Nachwuchs besuchte DRK-Gemeinschaftsunterkunft Niederstedter Weg
Die Flüchtlingsdebatte wird derzeit in Europa intensiv geführt. Zu erfahren, wie die Unterbringung Geflüchteter vor Ort funktioniert, war Sinn einer Visite von Jungpolitikern des Juso-Bezirks Hessen Süd in der vom DRK Kreisverband Hochtaunus seit 2015 betriebenen Gemeinschaftsunterkunft im Niederstedter Weg in Bad Homburg. Die danach abgegebenen Kommentare waren eindeutig: Super Arbeit, von solchen Unterkünften müsste es mehr geben, dann gäbe es auch weniger Diskussionen und Probleme.
„Wenn es mehr solcher Einrichtungen gäbe, hatten wir eine sehr viel kleinere Debatte“ – Fazit eines Informationsbesuchs einer Abordnung des Juso-Bezirks Hessen Süd in der vom DRK-Kreisverband Hochtaunus betriebenen Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete im Niederstedter Weg in Bad Homburg. Die SPD-Jungpolitiker waren von Kreissozialdezernentin Katrin Hechler zu der Visite eingeladen worden, damit sie sich von der Art und Weise, mit der das DRK die Unterkunft betreibt, einen Eindruck verschaffen konnten. Als Gesprächspartner standen der von der stellvertretenden Bezirksvorsitzenden Michelle Breustedt angeführten Delegation, zu der auch der Fraktionsvorsitzende der Bad Homburger SPD-Stadtverordnetenfraktion, Tobias Ottaviani, gehörte, Sebastian Fischer, Leiter soziale Dienste beim DRK, sowie Einrichtungsleiter Johannes Pegler und seine Kollegin Serafina Mastrolonardo zur Verfügung. Bei einem Rundgang durch den campusartig angelegten, 2015 in Betrieb gegangenen Komplex hatten die Besucher auch Gelegenheit zu Gesprächen mit Bewohnern, die von einem sehr respektvollen Umgang miteinander, aber auch im Hinblick auf das Verhältnis mit der Einrichtungsleitung berichteten. Kommentar von Tobias Ottaviani: „Super Arbeit, persönlich bin ich zum ersten Mal hier und total überrascht, toll, was hier im Sinne der Humanität geleistet wird.“
Hechler sprach von einem „Vorzeigeprojekt“ und begrüßte die reibungslose Kooperation zwischen der Stadt Bad Homburg, dem Landkreis und dem DRK. In der Unterkunft, die 200 Menschen eine vorübergehende Heimstatt biete, werde humanitäre, auf Integration durch Spracherwerb und Ausbildungshilfe angelegte Flüchtlingsarbeit vorgelebt, sagte die Kreisbeiogeordnete. Einig waren sich Hechler, Fischer und Pegler darin, dass die Geflüchteten den Aufenthalt im Niederstedter Weg als kurz- oder mittelfristige Zwischenstation begreifen und nicht als Dauerwohnsitz. In aller Regel sei das auch so, berichtete Einrichtungsleiter Pegler von einer regen Fluktuation, die auch nötig sei, um Neuankömmlingen – am Besuchstag waren der Unterkunft etwa 20 neue Geflüchtete zugewiesen worden – Platz zu machen. Allerdings gebe es auch Fälle, bei denen der Aufenthalt Jahre dauert, wie bei dem staatenlosen Palästinenser Mohammed M., der seit 2017 in der Unterkunft lebt, entsprechend sehr gut Deutsch spricht, sehr gerne mit seiner Freundin zusammenziehen möchte, aber keine Wohnung findet. Insofern sei Mohammed zwar kein Paradebeispiel für das „System Zwischenstation“, wohl aber für die Problematik der Wohnungs-, Arbeits- und Ausbildungsplatzsuche, sagte Pegler. In der Unterkunft werde aber alles getan, die Menschen dabei zu unterstützen, Arbeit und Wohnraum zu finden, aber auch die deutsche Sprache, den Schlüssel zur Integration, zu erlernen, „Hilfe zur Selbsthilfe“. Etwa ein Drittel der Bewohner sei anerkannt und dürften deshalb auch einer Beschäftigung nachgehen.
Das sei das Ziel, erklärte Sebastian Fischer, der in der Vermittlung von Ausbildungsplätzen an Geflüchtete durch Kontakte zu örtlichen Betrieben und der engmaschigen Führung in Richtung Integration auch einen Beitrag zur Linderung des Fachkräftemangels sieht. Wie Hechler, betonte auch Fischer die sehr gute Kooperation zwischen DRK, Stadt und Kreis. Er und Hechler konnten den sichtlich beeindruckten Nachwuchspolitikern auch von „runden Tischen“ berichten, an denen alle mit der Problematik befassten Protagonisten gemeinsam daran arbeiten, die Bewohner bei ihren Bemühungen, auszuziehen, Wohnraum, Arbeit und Zugang zur deutschen Sprache zu finden, zu unterstützen.
Dass dieses interaktive Konzept aufgehe, zeige die friedliche Ruhe in der Unterkunft, waren sich die Gastgeber einig. Polizei und Feuerwehr würden kaum noch gebraucht. Anfangs habe man die Feuerwehr schon das eine oder andere Mal rufen müssen, weil aufgrund der Kochgewohnheiten Rauchmelder angeschlagen oder der unsachgemäße Anschluss defekter Elektrogeräte kleinere Kabelbrände ausgelöst hätten. Inzwischen seien diese Probleme dank der Gemeinschaftsküchen und entsprechender Schulung, aber auch engmaschiger Kontrolle jedoch gelöst, unter anderem durch den Einbau von Zeitschaltuhren in die Herde. Die Brandlast werde auch dadurch gesenkt, dass kaum noch Holzmöbel in den Zimmern vorhanden seien, sondern vorrangig solche aus Metall.
Pegler sprach von einem bunten Nationenmix und einem weitestgehend friedlichen Zusammenleben zwischen den verschiedenen Ethnien. Wegen ihrer spezifischen Lebensgewohnheiten versuche man den Nationen gewisse Wohnbereiche zuzuordnen, gesellschaftliche und kulturelle Interaktion innerhalb der Unterkunft werde dadurch aber nicht unterbunden. Man sei bemüht, schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Aufenthalts in Deutschland nicht den Grundstein zur Bildung von Parallelgesellschaften zu legen, sagte Pegler. Zum Konzept gehörten auch einige nebeneinander liegende Zweibett-Zimmer mit Verbindungstür. Die seien Familien mit minderjährigen Kindern vorbehalten. Diese „Kleinwohnungen“ seien natürlich sehr begehrt, erklärte Serafina Mastrolonardo, betonte zugleich aber, dass der Anspruch darauf erlösche, wenn die Kinder das 18. Lebensjahr erreichen.